Zur Namenswandlung in der Neuen Welt noch einige Gedanken von bestechender Einfalt und verblüffendem Scharfsinn. Die verenglischten Formen "Barrick" und "Barrach" muten zunächst kraus an. Man muß sich jedoch eine Tatsache vergegenwärtigen: Die Bergs aus dem Westerwald haben ihren Namen sicherlich nicht genau so ausgesprochen, wie ihn ein Tagesschausprecher im Jahr 2022 ausspricht. Überhaupt sprach Anfang des 18. Jahrhunderts in Deutschland niemand so wie ein Tagesschausprecher dreihundert Jahre später. Die Menschen damals sprachen selbstverständlich ihre landschaftlichen Mundarten. Am ehesten noch kam dem heutigen Standarddeutsch die Sprechweise von Angehörigen der gebildeten Schichten (Geistliche, Gelehrte) nahe, wenn sie Deutsch nach der "Schrift" sprachen. Aber auch deren gesprochenes "Schriftdeutsch" war mehr-minder kräftig von der jeweiligen landschaftlichen Sprechweise geprägt. Wie Hochdeutsch "gut" und "richtig" zu sprechen sei, darüber wurde man sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts einigermaßen einig, mit der – noch keineswegs abschließenden – "Kodifizierung" durch Theodor Siebs im Jahre 1898 (Deutsche Bühnenaussprache). Im frühen 18. Jahrhundert war überdies das Literaturdeutsch noch etwas knödlig, auch das "Schriftdeutsche" erfuhr erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts seine Durchbildung. Das "Lutherdeutsch" hatte zu dieser Zeit im Süden sogar noch eine Wettbewerberin in Form der sogenannten "oberdeutschen Schreibsprache", die uns heute nicht nur etwas, sondern arg knödlig erscheint. Konkret für die Barks-Ahnen heißt das alles: Es ist möglich, daß sie ihren Namen nicht "Berk" aussprachen, wie es das heutige Standarddeutsch verlangt, sondern "Berch". Diese Aussprache ist ja nicht nur in Hambuich noch heute in weiten Teilen des deutschen Sprachraums verbreitet. Und noch eine dritte Aussprachemöglichkeit für das "g" tut sich auf: "Bersch", wie in westlichen Teilen des deutschen Sprachraums, auch im Westerwald. Dieses rheinische "sch" (bekannt vor allem durch die Kölner Stadtsprache), das den ich-Laut (und in diesem Fall den Buchstaben "g") ersetzt, ist nicht identisch mit dem standarddeutschen "sch"-Laut <ʃ>, sondern ein eigener Laut <ɕ>, der grob zwischen dem ich-Laut und "sch" angesiedelt ist. Für Deutschsprecher aus anderen Gegenden hört es sich aber an wie "sch" <ʃ>. Wir haben für "Berg" also die drei möglichen Ausspracheformen "Berk", "Berch" und "Bersch". Vielleicht wurde auch nicht nur eine hiervon "genutzt", sondern zwei oder sogar alle drei schwappten hin und her. Wir wissen nicht, wie man sich die Aussprache der verenglischten Form "Barrach" genau denken soll. Vielleicht ist das "ch" hier nicht als "tsch", sondern als "ck" zu sprechen, und dann liest sich "Barrach" praktisch gleich wie "Barrick". Beide erscheinen freilich als englische Verschriftlichungen von "Berk". Sollte das "ch" von "Barrach" jedoch den Lautwert "tsch" repräsentieren, liegt es nahe, daß versucht wurde, die Aussprachevarianten "Berch" (mit dem für englische Ohren fremden ich-Laut) oder "Bersch" wiederzugeben. Ja, ein bißchen verunfallt wirkt die Verenglischung "Barrach" schon. Für ziemlich sicher halte ich jedoch, daß "Barrach" nicht auf der zweiten Silbe zu betonen ist (also nicht wie der Vorname von Barack Obama), sondern auf der ersten, wie es der "natürlichen" englischen Betonung entspricht, und das zweite "a" ist nur schwach und verschwindet schon fast, wie in dem Wort "barrack" (GB: <ˈbær.ək>, US: <ˈber.ək>). Dem, der noch nicht darüber gegrübelt hat, wie vor dreihundert Jahren ein Herr Berg aus dem Westerwald, mutmaßlich kein Geistlicher und Gelehrter, sondern einfacher Bauer oder Handwerker, seinen Namen ausgesprochen hat, mag das alles ein bißchen seltsam erscheinen. Doch bedenke man, daß noch einen ganzen Tick später der überaus gebildete Goethe munter reimte: "Ach neige, du Schmerzensreiche". Und da ist gar nichts gezwungen, sondern der Frankfurter reimte, wie er's als gutes und richtiges Deutsch verstand: "Ach neiche …" Man sagt, in der Gegend von Hannover würde das makelloseste, mundartärmste Deutsch gesprochen. Aber auch dort sagen für "Tag", "Zug", "Weg" viele "Tach", "Zuch", "Wech". Und selbst der Herr Siebs, der den "Tak", "Zuk", "Wek" festschrieb, gönnte sich und uns mit dem "Könich" ja eine dicke Ausnahme von der Regel. Weiter im Text. Was bei den verenglischten Formen "Barrick" und "Barrach" noch auffällt, ist das mit dem Doppelbuchstaben geradezu hervorgehobene "r" von "Berg". Dazu ist zu sagen: Im heutigen Deutsch beherrscht das Zäpfchen-r die Bühne, und das Zungenspitzen-r hat sich weitgehend auf den Süden des deutschen Sprachraums zurückgezogen (Bayern, Österreich, Schweiz) und führt dort einen Abwehrkampf gegen das Zäpfchen-r. In einer Position wie in "Berg" nun setzen wohl die meisten Deutschsprecher für die Verwirklichung des "r" weder Zäpfchen noch Zunge ein, sondern vokalisieren es als schwaches "a". Ich jedenfalls rolle oder reibe in "Berg" gar nix, das wäre mir zu überkandidelt. Ich finde, ein in dieser Position deutlich gegurgeltes "r" wirkt selbst bei geschulten Sprechern oft geziert bis lächerlich (der berühmte "Spocht"). Vor dreihundert Jahren nun war das Zäpfchen-r im Deutschen noch ein obskur Ding, mit dem man sich zum Affen machte. Allbeherrschend war im gesamten deutschen Sprachraum das Zungenspitzen-r, und mit ziemlicher Sicherheit haben auch die Bergs ihr "r" gerollt, so sie es denn als Konsonanten verwirklichten, was sie wahrscheinlich taten, wenn sie in den nordamerikanischen Kolonien englischen Ohren laut und deutlich ihren Namen mitteilten. Also: "Bääärrk", "Bääärrch" oder "Bääärrsch", mit einem "r" wie es ein italienischer Operntenor oder zumindest ein Werdenfelser Gamsjäger nicht schöner rollen könnte. All dies ergrübelt, gedreht und gewälzt, erscheinen die Berg-Verenglischungen "Barrick" und "Barrach" gleich nicht mehr so kraus.
Die Barksens aus dem Westerwald

Ostsibirischer Korjakenknacker
@ostsibirischer_korjakenknacker
Mein bester Coolwater, hier die Antwort von Rudolf Höfer (in Auszügen - wenn er antwortet, dann ordentlich!): beginnt mit dem Aspekt der Rechtssicherheit, wer zu wem gehört. Mit dem Augsburger Religionsfrieden waren im Reich nur mehr Evangelische und Katholische vom Landesfürsten geduldet. <...> Im Zuge der Gegenreformation um 1600 in den habsburgischen Ländern waren die Baptisten entweder zum Übertritt oder zur Auswanderung gezwungen. Baptisten/Huterer/Mennoniten sind von den Evangelischen eher bekämpft worden , im Zuge der theresianischen Ausweisungen/Deportationen bis zuletzt 1786 sind die Personen nach Siebenbürgen zwangsweise geschickt worden. <...> Über die Auswanderer nach Amerika haben wahrscheinlich eher nur die dortigen Gemeinden Aufzeichnungen, die weltliche Verwaltung verfügt in der Regel über keine Daten, weil das Sache der Pfarre war. Überhaupt war die Auswanderung in die USA im 17. Jahrhundert kaum gegeben, eher ins Reich in die Reichsstädte, in denen beide Konfessionen toleriert waren mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555. ---------------------------- D.h. die "entsendenden" Orte haben von "Andersgläubigen" sicher keine Aufzeichnungen, es sei denn, es wären Konvertiten (in beide Richtungen).
10.04.2022, 13:57:05

Anonym
@~anonym~
My ancestry came from the Berg's from this area of Germany. From my research I can go back as far as Hanss Simon Berg B-1595, but when Johannes Peter Berg (Barrick) B-Nov27,1712 Born Selters Nordhofen, Hesse-Nassau, Germany emigrated he changed his name to Barrick. Anything before Hanss Simon Berg is a mystery to me.
08.09.2022, 21:38:30

Coolwater OP
@coolwater
The "theory" I elaborated above is that "Barrick" is a phonetic Anglicization of "Berg". You have to know that "r" in Germany in the 18th century was still pronounced much like the "rolling" "Italian r", not like the "French r" that is predominant in German today. "g" in "Berg" could also have been pronounced like "ch" in modern German "ich"; this pronunciation is still common in many German areas today. "Berg" pronounced like this may sound like "Barrick" to an English speaker. My guess is that it was not Johannes Peter Berg himself who motivated his name to be changed, but rather an official in the North American colonies who just heard German "Berg" and wrote it down as "Barrick". Perhaps Johannes Peter Berg couldn't read and write at all.
10.09.2022, 23:09:46

Ostsibirischer Korjakenknacker
@ostsibirischer_korjakenknacker
My guess is that it was not Johannes Peter Berg himself who motivated his name to be changed, but rather an official in the North American colonies who just heard German "Berg" and wrote it down as "Barrick". Perhaps Johannes Peter Berg couldn't read and write at all.
Maybe pretty close ... one of the most famous beer brands in (newly founded) Little Rock was "Hindeliter" (still to be seen in their Living History Museum). It derived from a german (or austrian?) immigrant "Hinterleitner" ...
12.09.2022, 05:59:18
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